Am 31. März 2025 fand der zweite Online-Expertenaustausch im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung (MORO) „Synergien von Raumordnung und Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet der Oder“ statt. Im Mittelpunkt standen der Austausch zu nationalen und regionalen Wasserstrategien sowie die Diskussion von Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus dem Oder-Hochwasser 2024.
Ziel des Austauschs war es, bestehende Strategien und Handlungsansätze auf nationaler und regionaler Ebene vorzustellen, Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen Wasserwirtschaft und Raumordnung zu benennen und Möglichkeiten für eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen auszuloten.

Wasser-MORO Zweiter Expertenaustausch Teilnehmende

Wasser-MORO Zweiter Expertenaustausch Teilnehmende

Nationale und regionale Wasserstrategien

Diana Nenz (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, BMUV) stellte die 2023 verabschiedete Nationale Wasserstrategie vor, die erstmals ressortübergreifend den nachhaltigen Umgang mit Wasserressourcen in Deutschland bis 2050 als Ziel verfolgt. Die Strategie umfasst ein Aktionsprogramm mit 79 Maßnahmen, von denen 38 als prioritär gelten. Zu den Schwerpunkten zählen die Entwicklung von Leitlinien zur Wasserknappheit, die Schaffung von Leitbildern für einen naturnahen Wasserhaushalt, Maßnahmen zur gewässerverträglichen Flächennutzung sowie zur wassersensiblen Stadtentwicklung. Ziel ist es, technische und grüne Infrastrukturen stärker miteinander zu verzahnen. Die Umsetzung der Strategie wird durch eine interministerielle Arbeitsgruppe koordiniert. Die Rolle der Raumordnung hob Frau Nenz insbesondere bei der Flächensicherung für Retentionsräume, der Ausweisung von Gewässerentwicklungskorridoren und der Integration wasserbezogener Belange in Landesentwicklungs- und Bauleitpläne hervor.

Prof. Dr. Tamara Tokarczyk (Institut für Meteorologie und Wasserwirtschaft, IMGW-PIB) gab einen Überblick über die zunehmenden Herausforderungen des Dürremanagements im Einzugsgebiet der Oder. Im Vergleich zum Einzugsgebiet der Weichsel zeigen sich im Westen Polens deutlich längere hydrologische Dürreperioden. Niederschlagsmengen sind zwar relativ stabil geblieben, Temperaturanstieg und veränderte Verdunstungsmuster führen jedoch zu einem erhöhten Wasserdefizit. Strategisch verfolgt Polen einen Mix aus kurzfristigen Maßnahmen (z. B. Wasserverbrauchsbeschränkungen, Notversorgung) und langfristiger Anpassung. Dazu zählen Renaturierungen, die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Aufforstungen zur Bodenfeuchteverbesserung sowie der Aufbau alternativer Wasserquellen. Für das Dürremanagement gibt es ein datengestütztes Frühwarnsystem, das auf Indikatoren basiert. Außerdem werden zunehmend KI-basierte Modelle zur Dürreprognose eingesetzt. Dabei bedeutet Dürremanagement immer auch Wasserqualitätsmanagement – etwa hinsichtlich Schadstoffkonzentrationen in Niedrigwasserphasen. Abschließend berichtete Frau Prof. Tokarczyk, dass die Maßnahmen aus dem ersten polnischen Dürrepräventionsplan derzeit hinsichtlich räumlicher und zeitlicher Wirksamkeit evaluiert werden.

Janek Dreibrodt (Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, MLEUV) stellte die Klimaanpassungsstrategie Brandenburgs vor. Laut Klimareport ist Brandenburg eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Bundesländer: steigende Temperaturen, sinkende klimatische Wasserbilanz und zunehmende Starkregenereignisse prägen die Entwicklung. Die Strategie zur Klimaanpassung enthält 60 Meilensteine bis 2027, darunter neun konkrete Maßnahmen für das Handlungsfeld Wasser. Dazu zählen u. a. die Stabilisierung des Landschaftswasserhaushalts, der Klimaabschlag beim Grundwasserdargebot, die Förderung kommunaler Starkregenrisikokonzepte, ein Indikatorensystem zum Monitoring sowie die Stärkung des Retentionsraums durch raumordnerische Festlegungen. Das Landesniedrigwasserkonzept verfolgt einen Managementansatz entlang eines Zyklus aus Vorsorge, Bewältigung und Schadensminderung. Für alle Flussgebiete wurden Steckbriefe und Netzwerke aufgebaut. Besonders hervorgehoben wurde die Lausitz als Region mit strukturellem Wasserdefizit im Zuge des Braunkohleausstiegs. Die Maßnahmen erfolgen auf Grundlage der Wasserrahmenrichtlinie und der Hochwasserrisikomanagementrichtlinie und werden durch internationale Formate wie die Zusammenarbeit in der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder (IKSO) flankiert.

Dr. Maciej Zathey und Aleksandra Sieradzka-Stasiak (Institut für Territoriale Entwicklung, IRT) stellten den Prozess zur Entwicklung einer regionalen Wasserpolitik für Niederschlesien vor. Obwohl die Wojewodschaften in Polen keine formale Zuständigkeit für Wasserpolitik besitzen, übernehmen sie Verantwortung in Bereichen wie Raumordnung, Umweltbildung, Katastrophenschutz und strategische Koordination. Die Initiative für eine regionale Wasserpolitik reagiert auf multiple Herausforderungen wie Dürre, Hochwasser und ökologische Krisen. Sie basiert auf einem einzugsgebietsbezogenen Ansatz, der naturbasierte Lösungen priorisiert. Aktuell wird dabei ein Gutachten zur Identifikation potenzieller Retentionsflächen im Odergebiet erstellt. Maßnahmen betreffen u. a. die Sicherung und Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Abwasserminderung in Nebenflüssen, Pilotprojekte für hochwasserangepasstes Bauen, Schwammstadtprinzipien sowie Bildungsangebote zur Wasserbewusstseinsbildung. Die Strategie reagiert auch auf die derzeitige Reform der Raumordnung in Polen, durch die das neue Instrument des „Generalplans“ (Plan ogólny) eingeführt wird. Ein interdisziplinäres Beratungsgremium mit über 40 Vertreter*innen aus Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft begleitet den Prozess. Grenzüberschreitende Kooperation – etwa im Rahmen einer „blauen Diplomatie“ – wird ausdrücklich angestrebt und soll durch eine deutsche Übersetzung der strategischen Leitlinien der Niederschlesischen Wasserpolitik unterstützt werden.

IRT - Dolnośląska Polityka Wodna

IRT – Dolnośląska Polityka Wodna – Niederschlesische Wasserpolitik

Erfahrungen aus dem Oder-Hochwasser 2024

Der zweite Schwerpunkt des Expertenaustauschs widmete sich den Erkenntnissen und Schlussfolgerungen aus dem Oder-Hochwasser 2024, das weite Teile des deutsch-polnischen Grenzraums betraf und insbesondere an Zuflüssen in Polen große Schäden verursachte. Dabei wurden sowohl technische Schutzinfrastruktur als auch organisatorische Abläufe einem Belastungstest unterzogen.

Hierzu teilten Lars Stratmann (Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft) und Dr. Maciej Zathey ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen. Positiv hervorgehoben wurde der effiziente grenzüberschreitende Datenaustausch: Frühzeitige Pegelmeldungen aus Polen und Tschechien ermöglichten eine rechtzeitige Gefahreneinschätzung und die erfolgreiche Vorbereitung von Schutzmaßnahmen. An der Verbesserung dieser Informationssysteme wird weiter gearbeitet.

In Polen leistete der Polder Racibórz – errichtet nach der Flutkatastrophe von 1997 – einen entscheidenden Beitrag zum Schutz unterliegender Siedlungsgebiete. Dennoch zeigte sich, dass rein technische Schutzmaßnahmen allein nicht ausreichen. Naturbasierte Ansätze wie Flächenrenaturierung, die Vergrößerung von Überflutungsräumen oder Deichrückverlegungen sind weiterhin von großer Bedeutung. Deren Integration in die Raumordnung bleibt eine prioritäre Aufgabe.

Zugleich offenbarte das Hochwasserereignis aber auch Schwächen. So kam es infolge des Versagens eines Staudamms bei Stronie Śląskie zu extremen Überschwemmungen und schwersten Schäden. Diese Vorkommnisse unterstreichen die Dringlichkeit einer kontinuierlichen Optimierung von Warnsystemen, Notfallkommunikation und Infrastrukturkontrolle. Dabei können moderne Technologien wie Fernerkundung, Drohneneinsatz und Echtzeitdaten weitere Verbesserungen bringen.

Abschließend wurde betont, dass ein effektives Management wasserbezogener Risiken nur im Zusammenspiel technischer, naturbasierter und planerischer Strategien möglich ist. Entscheidende Erfolgsfaktoren sind eine funktionierende grenzüberschreitende Kooperation, der offene Fachaustausch und die systematische Verzahnung von Raumordnung und Wasserwirtschaft. Die im Austausch identifizierten Handlungsansätze sollen in die weitere Projektarbeit und die Entwicklung gemeinsamer Strategien einfließen.

Eine beispielhafte Umsetzung integrativer Schutzmaßnahmen zeigt die Fallstudie Domaszków–Tarchalice, abrufbar unter: https://saveoder.org/domaszkow-tarchalice-eine-fallstudie/